sitzt und die Superschnäppchen bei ebay beobachtet. Das
kommt davon, wenn man sein Unbewusstsein nicht ausschalten
kann, wenn man Probleme vor sich her schiebt, darüber redet
(wollen wir nicht mal ...), anstatt sie zu lösen. Ja, dann
gestaltet sich ein Sonntag wie dieser.
Seit Monaten reden wir darüber, den großen Fernseher aus
Susannes Wohnzimmer zu entfernen; ist ein echter
Schandfleck in dem Puppenstübchen. Machen wir's heute?
Nein, heute nicht, wir müssen ... Okay, hast ja Recht, ist ja
relativ unwichtig. Machen wir's heute? Ja, du hast ja Recht.
Selbst ein neu angeschaffter, wesentlich kleinerer Fernseher
aus Martins Secondhandladen rührte das alte Biest nicht von
der Stelle; er stand da, als hätte er Macht über unser Wollen.
Seit Wochen suche ich auf ebay nach Kirschmöbeln. Das ist
mein Holz, so war, so gemütlich. So recht klappen wollte es
allerdings nicht, entweder es wurde zu teuer oder wir wurden
in der heißen Bieterphase unsicher, ob das auch wirklich das
Richtige ist. Immer wieder guckte ich nach "Kirsche", bis am
Samstag Abend eine Schrankwand aus Kirsche auftauchte, die
sehr hübsch und wie neu aussah. Restzeit ein paar Minuten,
keine Zeit mehr, tiefgründige Diskussionen anzufangen. Das
Teil stand auf 1 Euro, kein Gebot drauf, und ich saß da vor
dem Bildschirm wie ein hypnotisiertes Kaninchen vor der
Schlange. Nicht mal nur wegen des Schrankes als solchen, im
Hinterkopf lauerte auch, was da an Aufwand auf uns zu
kommen würde.
Dreizweieins, bis zuletzt hoffte ich auf einen der Partisanen,
die bis zur letzten Sekunde in der Hecke lauern - aber es
kam keiner, ich hatte ihn am Hals, Susanne einen neuen
Schrank. Lange brauchte ich nicht, um zum Telefon zu greifen
und unseren Freund anzurufen, der mit seinem Bulli würde
helfen müssen, um das Monstrum von Hamm nach Gerthe zu
schaffen. Ja, er wolle zwar ausspannen und die Steuern
machen (mir rätselhaft, wie das miteinander zu vereinbaren
ist), würde uns aber helfen. Eine Mail an den Verkäufer, er
möge sich wegen des Abholungstermins melden, beendete den
ersten Akt von ...
Frohgemut trafen wir uns am nächsten Tag, genauer am
frühen Nachmittag. Warum ich so gut gelaunt war, keine
Ahnung, warum Susanne mit äußerster Gelassenheit der
bevorstehenden Veänderung ihres zentralen Lebensraumes
entgegensehen konnte, keine Ahnung. Wir fuhren los, als sei
diese Schrankwand fest in unsere Lebenspläne geschrieben,
mit einem absoluten Sicherheitsgefühl in den sinkenden Tag
hinein. Kurz vor dem Ziel hielt unser Freund freiwillig an,
damit ich ein paar Fotos von der untergehenden Sonne
schießen konnte. Allein das Ergebnis war die Reise wert. Was
sollte da noch passieren.
Der Schrank war schlimmer als erwartet. Allerdings neige ich
dazu, das Positive monströser Dinge durch ein Fernglas zu
sehen - und das verkehrt rum zu halten, wenn es um die
negativen Aspekte geht. Nun ja, dieses Mal war ich der
Leidtragende, im wahrsten Sinne des Wortes. Unser Freund
verletzte sich gleich beim ersten Teil vor der ersten Treppe
(zweiter Stock!) an einer Scherbe, und so musste der
freundliche Nachbar, der uns die Tür aufgemacht hatte, mit
ran. Es wurde ein Gewürge und Getrage, dass die Schwarte
krachte; mir reichte es jedenfalls. Was mit der
Schranksubstanz war, verdrängte ich erfolgreich.
Die Verletzung unseres Freundes erwies sich als nicht so
schwer, als das er nicht beim Reintragen der Schrankteile
hätte helfen können. Bravo!, es gibt also noch Helden. Was wir
in Susannes Wohnzimmer trugen waren allerdings traurige
Fragmente eines einstmals stolzen Möbels. Das mittlere
Element war völlig aus dem Leim, eine der großen Schubladen
völlig geborsten. Eine der Scheiben übernahmen wir bereits
beschädigt, eine weitere krachte auf der Fahrt in Stücke. Na
ja, unsere Unverdrossenheit nahm keinen Schaden, der
Schrank stand da erst mal, und unsere Gedanken befaßten
sich mit dem Neuen, auch mit dem zu wählenden Standort, wie
das nun alles weiter zu gehen hat.
Als wir abends bei mir waren waren die Konturen des Neuen
klarer geworden, vor allen Dingen das Gefühl, alles richtig
gemacht zu haben. Zwar hatten wir einen Sonntag geopfert,
aber die Stunden auch gemeinsam mit einem Freund
verbracht, der Ablenkung und ein Miteinander gut gebrauchen
konnte; Susanne hatte einen Schrank, dessen Schäden wir
schon in den Griff bekommen würden, und ich hatte ein paar
Fotos der besonderen Art im Kasten. Ganz am Rande sei
erwähnt, dass bereits am Montag der monströse Fernseher
seine Macht verlor und gnadenlos abtransportiert wurde.
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