Unser Weg führte uns gestern nach Recklinghausen, |
eine Industriestadt an der Emscher mit ca. 120.500 Einwohnern, |
Eigentlich waren wir ja hierher gekommen, um preiswert ein Ersatzteil für
Wolfgangs Fahrrad zu bekommen und waren doch ziemlich genervt, festzustellen,
dass wir die 45 Kilometer mit dem Rad umsonst gemacht hatten. Eigentlich waren
wir auch nicht wenig genervt, teilweise aber auch amüsiert, von den Menschen und
Zuständen, die uns hier begegneten, und uns kamen Wörter wie "Bronx", "Ghetto"
und auch "Verrecklinghausen" in den Sinn. Das können die nachfolgenden Fotos
vielleicht ansatzweise erklären. |
Chinesisch neben arabisch
neben Casino neben
italienisch neben türkisch -
"Multikulti" bestimmt das
Bild der Bochumer Straße
im Recklinghausener Süden. |
Sperrmüll am
Straßenrand, leer
stehende, schmutzige
Ladengeschäfte,
überquellende
Mülltonnen, völlig
zerbeulte und
notdürftig
beschriftete
Briefkästen... und von
dem SOS-Telefon
vor einer
Grundschule ruft
niemand mehr an.
Zeichen von Acht-
losigkeit und mut-
williger Zerstörung
sind hier einige zu
finden. |
Als teilweise bedrohlich empfinde ich den Straßenverker.
Es sind übrigens auffallend viele dicke Schlitten
unterwegs - und drinnen sitzen auffallend häufig sehr
junge Männer, die einen ziemlich aggressiven Fahrstil an
den Tag legen. Überbleibsel eines Wagenrennens liegen
noch auf der Fahrbahn. |
Sicher könnte ich noch Einiges aufzählen, was
unseren Unmut erregt in diesem Stadtviertel in
dieser Stadt. Bis ich - als Wolfgang in einem Laden
ist und ich vorsichtshalber auf unsere Räder
aufpasse - diese kleinen Jungen beobachte, die
hinter einem Gitter direkt am Gehweg sitzen und
spielen. Kleine Freunde, Kumpels, eben Kinder, wie
es sie überall gibt, und wie sie überall sind. Als sie
merken, dass ich sie fotografiere, fangen sie an, mit
mir zu schäkern, machen mir Zeichen, rufen noch
einen Dritten dazu, der draußen mit seinem Fahrrad
unterwegs ist. Ich habe meine Freude an ihnen, wie
sie offen, fröhlich und unbeschwert auf mich
reagieren und mit mir "spielen". |
Diese kleine Szene ermutigt mich, mir die Menschen hier
einmal genauer anzusehen und über ihre Schicksale, ihre
Lebensumstände, ihre Vergangeneheit und ihre
Zukunftsperspektiven nachzudenken. |
Oder dieser junge Mann, der erschöpft am
Straßenrand sitzt: Vielleicht kam er voller
Hoffnung auf ein besseres Leben nach
Deutschland und muss nun seine Familie mit dem
Austragen von Werbeprospekten durchbringen,
in denen Luxusgüter angepriesen werden, die er
sich so wohl nie wird leisten können. |
Diese beiden Frauen: Stets und ständig müssen sie mit
Spott und Anfeindungen rechnen, die eine wegen der
Hautfarbe, die andere wegen des Gewichts. Demütigungen
gehören zu ihren alltäglichen Lebenserfahrungen. |
Schließlich das alte türkische Ehepaar in einem
Hinterhof: Mit welchen Entbehrungen mussten sie
die materielle Sicherheit bezahlen, die ihnen das
Gastarbeiterdasein in Deutschland bescherte?
Vielleicht wären sie längst heimgekehrt, wenn die
Heimat ihrer Kinder nicht Recklinghausen hieße? |
Hinter den Türen in dieser Straße wohnen wohl sehr
unterschiedliche Menschen, aber die Gemeinsamkeiten
überwiegen. Sie alle haben ihre Ängste und Nöte, haben
sicher auch ihre kleinen Freuden und ihre starken und
großen Momente. Sie alle vereint das Streben nach etwas
Glück, wie auch immer ihr persönliches Glück aussehen
mag. Und sie alle haben ganz klein angefangen. Als winzige
Kinder, in denen alle, wirklich alle Möglichkeiten angelegt
sind, in denen alle Fähigkeiten schlummern, um ihren
persönlichen Lebensentwurf zu entfalten. Ob diese
Fähigkeiten geweckt werden und ob sie wachsen dürfen,
das hängt von von vielen Dingen ab, hängt auch ab von Dir
und mir, mit welcher Einstellung wir ihnen begegnen. |
People are people, so why should it be...? Ja, woher
kommen Hass und Unverständnis? Ganz bestimmt
nicht aus einem kleinen Kind. |