Zum Fliegen braucht man auch kleine Federn


Gedanken am Heil'gen Abend


Da sitzt so manch einer nicht nur allein an dem Tag, der symbolisch steht

für die Ankunft von Brüderlichkeit und Nächstenliebe für diese Welt, Erlösung; ersies ist zudem noch einsam. Alleine bin ich auch, einsam nicht. Machte mir seit Wochen der Stille mal wieder Musik an, eine CD von Britney Spears. Susanne ist mit Moritz unterwegs, eine Urlaubswoche beim Papa beginnt. Sie waren kurz hier, brachten Linsensuppe, und wir aßen gemeinsam. Dann machte ich Moritz den Fernseher an, ganz gegen meine sonstigen Gewohnheiten - da erntet er eher schräge Blicke beim Fernsehen. Ist etwas mit mir passiert?

In der Stille las ich vorhin in einem Buch von Erich Fromm, in dem er die Geschlechterrollen analysiert, und dann lenkten meine beiden Besucher die Aufmerksamkeit auf ein besonderes Problem, dem (erweiterten) Miteinander von Frau, Kind und Mann. Nach meiner Auffassung arbeiten alle drei Wesen interaktiv zusammen. Bedeutet:

- Frau mit Kind


- Mann mit Kind
- Frau mit Mann
- Frau und Mann mit Kind

Vergessen wird vielfach, dass auch Kind eine Rolle spielt, und zwar für die Entwicklung von Frau und Mann. Ja, es sind nicht nur die Eltern, die leisten, rackern, schuften und sich mühen, und wenn sie mit den Ergebnissen ihrer Erziehung konfrontiert werden, in der Regel auch noch ärgerlich und unmutig werden. Konflikte im Miteinander sind vorprogrammiert, so scheint es. Warum das so ist liegt auf der Hand, wenn wir das interaktive Wesen der Beziehung betrachten. Wenn die Erwachsenen von den Kindern lernen MÜSSEN, ist dies ja ein Entwicklungsprozeß, der im Prinzip niemals abgeschlossen ist - und eine immerwährende Weiterentwicklung, sprich Unvollkommenheit impliziert. Ergo: Eltern können wegen ihrer eigenen Bedürftigkeit niemals perfekte Lehrer oder Vorbilder sein.

Das Fatale an der Situation ist, dass Kind lernen soll von Menschen, die unvollkommen sind und ihrerseits auf Kindeshilfe angewiesen sind. Nun verweigern sich die meisten Eltern dieser realtiv misslichen Situation, weil sie mit ihrem Autoritätsanspruch nicht kompatibel ist. Kind hat zu gehorchen, das haben sie selber gelernt, und das muss richtig sein, weil sie selber richtig sein müssen, um ihren Erziehungsanspruch rechtfertigen zu können. So ähnlich läuft das Prinzip auch in der Kirche ab. Gerade "Geistliche" (?) proklamieren eine Sündhaftigkeit und Unvollkommenheit ALLER Menschen, benehmen sich aber so, als wären sie niemals mit der Ebene des profanen Menschseins in Berührung gekommen.

Alltag für Eltern - mit einem Maß an Bewusstsein für die Mängel in ihrer eigenen Kindheitsentwicklung - ist ihre Beschränktheit im Umgang mit ihrem Kind; sie fühlen sich immer wieder an Grenzen getrieben. Genau da beginnt Erziehung keinen Spaß mehr zu machen, wenn es nicht mehr klappt mit Beherrschung, Toleranz und Wohlwollen. Dann eskaliert es im Miteinander und Emotionen brechen aus: Wut, Trauer, Feindseligkeit, die sich in die Gedankenwelt schleichen und dort Ideen färben, die Gewalt wollen, die unterdrücken wollen, die nach Macht streben, die Kinderregungen unterdrücken, um der eigenen Ohmacht, auch die aus der Kindheitserinnerung, paroli zu bieten.

Schräge Gedanken am Heil'gen Abend - und die Musi spielt dazu. Nein, ich plädiere nicht für die so genannte anitautoritäre Erziehung. Nein, ich möchte nicht Eltern vor mir stehen sehen, die sich ihrer Fehlerbehaftetheit schämen. Nein, ich beabsichtige nicht, das gesellschaftlich bestens organisierte Spiel, Kinder als undankbare Plagen zu bewerten, in frage zu stellen. Was ich anregen möchte ist allein, sich mal Gedanken zu machen, wie dieser Teufelskreis zu durchbrechen wäre, wie man Kindern zu Partnern macht, wie man sich auf Augenhöhe begegnen könnte.

Bedeutet Brüderlichkeit nicht das Wesen von Gleicheit, von Gleichberechtigung, von Akzeptanz und Wertschätzung? Stellt sich die Frage, warum das Wesen einer idealen Beziehungsform in die Familien so selten Einzug halten kann.

Enden möchte ich, und das mag hilfreich sein beim Lösen des Teufelskreises, mit der recht lapidaren Feststellung, dass Menschen, die Kinder auf den Weg der Autonomie führen wollen, Feinde des Systems sind. Ja!, das ist ungeheuerlich, aber eins dürfte jedem klar sein: Kinder, die als "unwert" erzogen wurden, sind später weniger autonom und mehr willfährig, lassen sich folgend leichter

ausbeuten und dirigieren: ein einfaches, bewährtes Prinzip.

Wolfgang
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