Laßt mich einen Gedanken voraus schicken, der erklären mag,
warum ich mich überhaupt mit Religion beschäftige. Ich
glaube, der Geist, der durch Religion ganz allgemein auf der
Welt verbreitet wird, ist eine Sache. Eine andere ist die
Erfahrung, die Menschen mit Menschen machen, die glauben,
solche, die ihr Leben dogmatischen Regeln unterworfen
haben, die an den Teufel und Hölle, an Sünde und
Verdammnis glauben, die andere bevormunden, maßregeln,
verurteilen - und bestrafen. Vielleicht könnte man das alles
unter "Sozialterror" zusammenfassen.
Nach meiner Auffassung sind diese Menschen geisteskrank
(ich schreibe das, was ich fühle, mal in klarem Deutsch), und
sie sind besonders schwer geisteskrank, wenn sie das im
Namen eines "Herrn" tun, der seiner Liebe wegen ans Kreuz
geschlagen wurde - und dem sie (vorgeben) zu folgen.
Neben ihrer Geisteskrankheit haben diese Menschen eine
gravierende emotionale Störung. Das ist zwingend logisch,
weil ein Mensch, der ein gesundes Empfinden hat für das
"Gute", oder das, was gut tut, würde seine Mitmenschen
niemals terrorisieren, sie herabwürdigen und ängstigen.
Aus dem, was ich eben ausgeführt habe, läßt sich für den
aufmerksamen Leser erkennen, dass Geist und Gefühl
durchaus keine polaren und getrennten Größen im
menschlichen System sind - man könnte sogar behaupten, im
Menschen werden sie zusammen geführt zu einer Größe, die
wir Glauben nennen. Daraus läßt sich nun wieder eine ganz
einfache Schlußfolgerung ziehen:
Was oder woran ein Mensch glaubt spiegelt genau seine
geistige und emotionale Verfassung, sagt uns, wie sehr er
verwirrt und verängstigt ist.
Ich lese derzeit in dem Buch von Erich Fromm,
"Psychoanalyse und Religion". Er unterscheidet zwischen
autoritärer und humanistischer Religion, und er schreibt
dazu:
Das humanistische, demokratische Element ist in der
christlichen oder der jüdischen Geschichte nie ganz
unterdrückt worden, und hat eine seiner wirkmächtigsten
Ausdrucksformen im mystischen Denken beider Religionen
gefunden. Die Mystiker waren tief durchdrungen von der
Erfahrung der Stärke des Menschen, seiner
Gottesebenbildlichkeit mit dem Gedanken, dass Gott des
Menschen ebenso bedürfe wie der Mensch Gottes. Sie haben
den Satz, der Mensch sei zum Ebenbilde Gottes erschaffen
worden, so verstanden, dass er eine grundsätzliche
Identität von Mensch und Gott bedeute. Nicht Furcht und
Unterwerfung, sondern Liebe und Bejahung der eigenen
Kräfte sind die Grundlagen der mystischen Erfahrung. Gott
ist nicht ein Symbol der Macht über den Menschen, sondern
der eigenen Kräfte des Menschen.
Wer seinen "Gott" im Außen sucht, wird alles mögliche finden,
aber keinesfalls einen liebevollen Geist, geschweige denn
eine geistvolle Liebe.
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